Der Tanz von Hase und Sonne

Date : 26. Januar 2022

Der Tanz von Hase und Sonne
Wolfgang Lugmayr, März 2018

Die alten Völker Europas, allen voran die Kelten/Gallier und Germanen, sind die Träger der ursprünglichen Kultur und Tradition dieses Lebensraumes. Sie waren sehr mit der Natur verbunden, sahen darin das wahre Göttliche, manifestiert in zahlreichen Göttern und Naturwesen.

Stell dir nun in eben diesem Bewusstsein einen Tag am Ende des Monats März vor – früher „Lenzing“ oder „Lenz“, du spürst die erste Wärme nach einem langen, kalten Winter und siehst die ersten Blumen blühen. Du sitzt auf der Wiese und beobachtest die Natur. Plötzlich bemerkst du die Hasen, wie sie tanzen, voller Lebenslust. Vor allem die männlichen Hasen tun sich da hervor. Sie posieren auf den Hinterbeinen und schlagen mit den Vorderpfoten aufeinander, umtanzen die Weibchen. Dieses Schauspiel wiederholt sich jedes Jahr und du meinst herausgefunden zu haben, dass es immer am gleichen Tag ist. Das ist kein Zufall, nichts ist Zufall in der Natur, denn sie ist ja göttlich.

Es ist auch der Tag vor dem Tag, an dem die Sonne am Morgen tanzt. Es ist jener Tag, in dem alle Menschen deines Volkes nicht schlafen, sondern bis zur nächsten Morgenröte wach bleiben und tanzen, sie tanzen – oft nackt – um ein Feuer und auch ein Nest von Eiern, die ein Vogel gebracht hat. Es ist ein gar seltsames Tier, das unentwegt die Laute „Kuckuck“ schreit und Eier aus Nestern stiehlt, um sie in Andere zu legen – richtige „Kuckucks-Eier“. Verschwindet ein Ei, dann sucht man es.

Und ja, Kinder, die in dieser Nacht gezeugt werden, sollen ganz besondere Kinder sein. Ist der Partner bei der Zeugung allerdings nicht der Eigene, ist das Kind dann ein Kuckuckskind.

Am nächsten Morgen wartet ein besonderes Schauspiel, der Tag und die Nacht sind genau gleich lang. Die Sonne feiert Auferstehung und der Mensch mit ihr. Es gibt sogar Menschen, die sehen die Sonne an diesem Tag wirklich tanzen, sie soll genau dreimal hüpfen, in Dreieinigkeit.

Es ist der Beginn einer Zeit von genau 40 Tagen, bis zum Fest „der warmen Jahreszeit“, im Wonnemond. Es beginnt nun die Zeit der Fruchtbarkeit, die Natur und damit verbunden auch der Mensch blühen auf … und alles beginnt mit dem Tanz der Hasen, dem Tanz der Menschen um das Kuckucks-Ei.

Die Morgenröte hieß im Althochdeutschen „Ostarun“ (noch älter: „Eostre“). Das Althochdeutsche stammt bereits aus jener Zeit, in der die alten Traditionen verboten waren, die ich zum Teil auch in diese Geschichte habe einfließen lassen. Während die ursprünglichen Römer, selbst vom kultur-, natur- und traditionsbewussten Volk der Etrusker abstammend, die alte Kulturen noch parallel existieren ließen, schafften die Christianisierten Römer und ihre Nachfahren eine Neue Weltordnung, die mehr auf Verstand basierte als auf Ritualen, in Naturverbundenheit und Intuition. Damit schienen die Menschen kontrollier- und ihre Handlungen planbarer. In dieser Zeit galt eine tanzende Frau dann auch schon einmal als Hexe.

Doch ließen sich jene Menschen in ihrer angeborenen „Bauernschläue“ die alten Traditionen nicht nehmen. Sie akzeptierten die Regeln, Gesetze und Feste der neu geschaffenen Religion und tarnten ihr Kulturgut in eben diesen Festen, wie zum Beispiel die Rituale rund um „Ostarun“, das im mitteleuropäischen Kulturkreis zu „Ostern“ wurde, als konstruiertes Fest ohne festes Datum, entstanden aus einer ganzen Reihe von Traditionen, Bräuchen und Ritualen. Auch der Name der Fruchtbarkeitsgöttin „Ostara“, der „Oberhexe“, blieb in diesem Namen erhalten. Ihre Symbole sind der Hase und das Ei, als Zeichen der Fruchtbarkeit.

Selbst in Ordnungsbücher der kirchlichen Lehre hielten die alten Bräuche Einzug: Nemo igitur illa nocte dormiat usque ad auroram – Niemand soll in dieser Nacht schlafen, sondern wach bleiben bis zur Morgenröte (aus den Canones Hippolyti – um 250 n. Chr). Weiters steht in manchen christlichen Quellen geschrieben, dass sich die Frauen am Grabe Jesu nach Osten, in Richtung der Morgenröte, gewendet haben, denn Jesus sollte aus den Morgenröten wiederkehren.

Warum sind nun die Eier bunt? Nun – das ursprüngliche Ei war gekocht und rot gefärbt, als Zeichen dafür, dass man mit jedem neuen Aufblühen den Tod überwindet. Später wurde der Verzehr von Eiern in der Fastenzeit verboten und man markierte sie, aus Zweck und Spaß, für den späteren Genuss.

Heute wagen wir es wieder mehr im Hier und Jetzt zu genießen und zu tanzen – das ist wunderbar!
Ich wünsche dir in diesem Sinne ein lebensfrohes, genussvolles und buntes Osterfest.

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